Hans Jürgen Diez
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Auszug aus dem Katalogtext von Markus Müller. Ausstellung "Artexchange", Auktionshaus Alte Oper, Frankfurt 1991:

"Vor dem Betrachter liegen Vögel oder besser Skulpturen die auf den ersten Blick als Vögel klassifiziert werden. Manchmal genügt ja eine geschwungene Linie um Vögel zu assoziieren, Hans Jürgen Diez macht es uns leichter. Seine Vögel sind so präzise erarbeitet, daß es den zweiten Blick braucht, um feststellen zu können, daß die Kreaturen in keinem ornithologischen Handbuch zu finden sind, sie sind Zeichen nur, kategorisch für die gesamte Klasse. Diez nutzt unsere Denkfolie "Vögel", um seine freihand geschnitzten Skulpturen zu projezieren, die Differenzen und Abweichungen zu "wirklichen" Vögeln reiben sich an unseren Vorstellungen, sie sind die Schnittstellen, an denen die Kunst anfängt. Die Köpfe und Läufe seiner "Flugunfähigen" sind so überproprtioniert, daß Zweifel an deren "Natürlichkeit" evident werden. Aber vor diesen Detailbeobachtungen steht der Gesamteindruck der Installation. Es liegen Vögel, viele Vögel, bis zu neuen Vögel und zwar ohne jeden Sockel, ohne jedes Postament, wie zufällig geworfen, im Raum. Die Vögel sind vor allem schwarz. Phönix. Sie sind geworfen und zwar auch in einem durchaus existenzialistischen Sinne, die Vögel liegen wie gestürzt, flugunfähig. Auch wenn ihre Umrisse im ein oder anderen Falle harmonisch-fließende Kurven bilden, wird unmißverständlich deutlich, daß diese Vögel ihre Flugunfähigkeit auf unnatürliche Weise verloren haben. Diese Vögel, diese Skulpturen existieren in der Zeit, sie haben eine Geschichte. Die Dramatik dieses Umstandes geht dem Tierleben nahe und läßt an die verdrehten Körper unzähliger "Opfervögel" auf unzähligen Stilleben denken. Die Dramatik der Inszenierung steht aber auch in spannungsvollem Gegensatz zu der eigenwilligen und ungewöhnlichen Materialität der Skulpturen, die wahrscheinlich die (im Kunstmarkt eminent wichtige) Qualität der Erstlingsschaft besitzen. Die Vögel sind aus Polyurethan-Filterschaum (-stoff)- Quadern, wahrlich kein klassisches Medium für figurative Bildhauerei, gearbeitet, d. h. mit dem Federmesser geschnitten, geschnitzt. Dieses anorganische Material steht unberührt über jeder Diskussion um Leben und Tod, Wachstum und Verfall, dem "natürlichen Lauf der Dinge", die sich zwangsläufig mit gestürzten Vögeln verbindet. Vergängliches ist hier aus einem Material gearbeitet, das wir mit dem Euphemismus Entsorgungsproblematik assoziieren. Aber so wenig die Arbeiten Natur abbilden wollen, so wenig sind sie platte ökologische Kunst mit einem "Herz für die Umwelt". Viel eher entwickelt sich auf dem differenzierten Beziehungsfeld der Fragen: Was ist Kunst? und Was ist Natur? eine Sensibilität für die Manipulationsmechanismen aller visuellen Vermittlung von "Wirklichkeit"."

..."Nicht das Werk hat Wirkung, sondern die spezifische Art des Umganges der Betrachter mit den Werken (3) und im Falle von Diez löst der Gehalt der Werke neue Wirkungen aus. (4)"

 

3) Bazon Brock:Imitation - die echte Lust am Falschen, in: Imitationen, Hrsg.: Jörg Huber, Basel 1989.4)siehe Jean Baudrillard: Das Andere Selbst, Wien 1987

 

 
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